Mittwoch, 29. Mai 2013

ich bin eine hexe

frau r. ist seit einigen wochen auf unserer station.
sie leidet seit 30 jahren an einer schizophrenie und wird bei uns medikamentös neu eingestellt... mit weniger als mäßigem erfolg. die arme befindet sich in einer verdammt unangenehmen zwischenwelt und nimmt nur sporadisch kontakt zum real-live auf.
ihre äußerungen beschränken sich auf:
"nein, nein, nein, nein, usw (ca 20x)" oder: "ja, ja, ja, ja, usw (ca 20x)".
zwischendurch rast sie raptusartig durch die gegend um dann für längere zeit plötzlich stuporös zu erstarren. egal wo, egal in welcher position.
(irgendwann hatte ich mal die unglaublich, bösartige fantasie ihr einen hitlerbart anzumalen und mit zum gruß erhobenen arm im flur zu positionieren....sie wäre dort sich er für meherer stunden zum standbild erstarrt..... gut das ich emphatisch und korrekt sozialisiert bin!!)
gern liegt sie auch tagelang auf dem bett (sie ist seit mehreren jahren im 8. monat schwanger und will sich und das baby schonen).
für profane dinge wie körperpflege oder gar nahrungsaufnahme bleibt da natürlich keine zeit.

heute morgen habe ich sie aus dem bett geholt und vors frühstückstablett gepflanzt um ihr in stundenlanger kleinstarbeit ein brötchen mit kaffee einzuflössen. frau r. war währenddessen nur körperlich anwesend und in ein tiefes gebet versunken.
dann war visite und frau r. wurde ins arztzimmer buchsiert. die ärzte haben ihre üblichen fragen gestellt, ohne auch nur im ansatz mit einer adäquaten antwort zu rechnen.... da geschieht das wunder:
frau r.s augen taucht aus der unendlichen weiten des kosmos auf und landet direkt im hier und jetzt. mit festem blick in die erstaunten arztgesichter verkündet sie laut und klar: "schwester echse ist eine böse, böse hexe!"
nach diesem ausbruch an hellsichtigkeit verschwindet ihr verstand im schweinsgalopp im nebel des wahnsinns.
das wars für heute.
die ärzte sind begeistert von dieser erfolgreichen kontaktaufnahme, schwester echse ist leicht pikiert.
und da ich heute sowieso bei frau r. verschissen habe, löffle ich ihr mittags mit sanftem nachdruck kartoffelbrei und erbsen zwischen die selig lächelnden lippen. frau r. lässt dies unbeeindruckt geschehen und versinkt zwischendurch mit gefalteten händen ins gebet.